Mit der geplanten Einführung neuer gTLDs durch die ICANN stehen viele Unternehmen vor der Frage, welche Vor- und Nachteile mit (k)einer Bewerbung verbunden sind, und was zu tun ist.

Jetzt wichtig zu beachten:
Die Bewerbung ist weitaus umfangreicher als die Registrierung eines Domainnamens. Mit einer eigenen TLD rutschen Sie in der Domainhierarchie vom Level Registrant/Endkunde 2-3 Level nach oben und betreiben fortan eine eigene Vergabestelle, auf gleicher Ebene mit der Denic für .de oder Switch für .ch. Die Vorbereitung einer Bewerbung dauert dementsprechend Monate, nicht Tage – denken Sie in der Dimension Business Plan. Dabei prüft die Icann Ihren Business Plan, Ihr Unternehmen selbst sowie auch das technische Konzept zum Betrieb. Das Bewerberhandbuch umfasst allein 352 Seiten.

Welche Fragen müssen Sie sich stellen?
– Wofür brauchen wir eine eigene TLD?
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine rein defensive Sicherung ein kostspieliges Unterfangen und von der ICANN auch nicht vorgesehen ist. Eine solche läßt sich eigentlich nur argumentieren, wenn es um Ihren erwünschten Namen Wettbewerb gibt. Ein Beispiel hier wäre .zürich (Stadt und Versicherungskonzern). Aus Kostengründen und vor dem Hintergrund vorhandener Einspruchsmöglichkeiten wird sich keiner für Ihre Marke ohne Eigeninteresse bewerben. Ansonsten ist eine Bewerbung sinnvoll für Unternehmen, die auf globaler Basis

  • eine große Vertriebsorganisation (Franchise, Händler etc) oder Fangemeinde haben
  • einen großen Produktkatalog haben
  • ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis haben
  • innovatives Marketing betreiben
  • relativ kurze Namen haben (bei .mercedes-benz wird die TLD schon sehr lang)

Evtl. werden die neuen TLDs aber auch ein Flop. Konsumenten und User können aus 2 Gründen verwirrt sein: Sie wissen einfach nicht, welches Unternehmen eine eigene TLD hat, oder welches keine hat. Mögliche Konsequenz: Die eigene TLD wird kaum genutzt, oder User sind verwirrt, weil Ihr Unternehmen nicht mit eigenem Namensraum auftritt.

– Was bedeutet es, wenn unser Name doch registriert wird, oder ein Dritter einen für unsere Branche relevanten generischen Namen sichert (z.B. .books)?

Diese Frage muss man sich stellen. Der Wettbewerber wird innovativer dastehen, mehr Möglichkeiten im Online-Marketing haben und u.U. seine Marke stärken und enger mit dem generischen Begriff assoziieren. Die nächste Bewerbungsrunde bei der ICANN wird es in jedem Fall vermutlich erst in ein paar Jahren geben (frühestens 2015). Bzgl. einer Anfechtung gibt es noch keine Erfahrungswerte, die Möglichkeit ist jedoch vorgesehen (s.u.)

– Welche Kosten kommen auf uns zu?
Einmalige Kosten für die Bewerbung:

  • Bewerbungsgebühr iHv. 185.000 USD
  • Ggfs Gebühren in Widerspruchsverfahren, u.U. sogar ein paar 10.000 USD
  • Planung, Beratung, Projektmanagement
  • Vertragsmodalitäten: Sowohl mit der ICANN (Sie schließen im Erfolgsfall einen sehr umfangreichen Registryvertrag mit der ICANN nach amerikanischem Recht) und ggfs. auch mit den Registranten (registration policy)
  • Kosten für Umstellung der Kommunikation und Marketing

Laufende Kosten (jährlich)

  • Technische Infrastruktur: 50-100.000 USD, ggfs. DNS
  • Kosten pro Domain name: 25.000 USD für die ersten 50.000 Domainnamen, darüber hinaus 0.25c pro Domain und Jahr
  • Personal (intern/extern)
  • Data escrow

(teils Schätzungen)

Unabhängig von einer Bewerbung sind auf der Kostenseite Budgets für Defensive Registrierungen einzuplanen. So wird ein wie bei anderen Einführungen der Vergangenheit die eine oder andere neue TLD von Interesse sein (.shop?) oder eine defensive Registrierung zum Schutz notwendig machen. Und es kommen bis zu 1.000 neue TLDs auf uns zu (wovon jedoch die Mehrheit im Corporate Segement erwartet wird). Eine Vorahnung finden Sie hier oder hier.

Im Vergleich zu einigen marketingstarken verkauften Domains, erscheinen die Kosten dann doch wieder recht günstig, z.B. Social.com (USD 2,6 Mio), Aktien.de (USD 750,000), fund.com (USD 10 Mio) oder toys.com (USD 5 Mio) (mehr unter domaining.com)

Einspruchsmöglichkeiten

Das Bewerbungshandbuch sieht Einspruchsmöglichkeiten in Form außergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren vor. Drei Möglichkeiten sind vorgesehen:

  • Ähnlichkeit mit einem anderen String („string confusion objection“)
  • Verletzung der Marke eines Dritten („legal rights objection“)
  • Beeinträchtigung einer gesamten Community („community objection”)

Bei Doppeltbewerbungen ist z.B. letztinstanzlich eine Auktion des strings vorgesehen.

Zeitplan der Einführung

  1. Jetzt bis zum Januar 2012: Vorbereitung der Bewerbung, Auswahl von Partnern, Test, Vertragliches
  2. Ab 12. Januar 2012: Öffnung des Bewerbungsfensters
  3. 12. April 2012: Das Bewerbungsfenster schließt
  4. Kurz danach: Veröffentlichung aller Bewerbungen
  5. Ab April 2012: Prüfung der Bewerbungen
  6. Ende 2012: Veröffentlichung der Ergebnisse
  7. Anfang 2013: Eintragung ins Root bei der IANA und Start der Registrierungen